Therapie für innere Ruhe, erholsamen Schlaf und ein starkes Immunsystem
„Den Namen des Baumes kannte ich nicht, doch ich badete in seinem süßen Duft.“ (Matsuo Basho)
Genau darum geht es beim Waldbaden. Durch selber den Wald zu erleben und selber Erfahrungen zu sammeln und der eigenen Intuition zu folgen, kann man sich auf den Wald einlassen. Die eigene Erfahrung steht dabei über der theoretischen Kenntnis.
Hierzu habe ich das Buch Shinrin Yoku gelesen und möchte euch die für mich wichtigen Punkte dieses Buches einmal vorstellen.
Was heißt Waldbaden eigentlich?
Man geht im Wald spazieren, langsam, bewusst, in aller Ruhe. Unser Körper erkennt die Natur immer noch als unser Zuhause an und reagiert darum so positiv darauf. Er ist noch immer an die Natur angepasst. Dabei sind es nicht nur Wälder, sondern auch andere natürliche Reize wie z.B. von Parks, Blumen, Holz, Zimmerpflanzen und Düfte, die eine positive Wirkung auf uns haben.
Positive Effekte des Waldbadens
Positive Effekte, ohne sie als Ziel wirklich anzustreben sind hierbei die positiven physiologischen und psychologischen Auswirkungen der Natur auf den Menschen wie z.B.
→ die Senkung des Stressniveaus im menschlichen Körper (entstanden durch Überreizung und Überforderung) und
→ die Verbesserung der eigenen Lebensqualität
„Die einen werden durch einen Baum zu Freudentränen gerührt, für die anderen ist er nur etwas Grünes, das im Weg steht. Für die einen ist die Natur lächerlich und missgestaltet, andere nehmen sie nicht einmal wahr. Doch für den, der Fantasie hat, ist die Natur die Fantasie selbst.!“ William Blake
Intuitiv wissen wir, dass wir uns in der Natur entspannt und wohl fühlen.
Gesundheit ist ein Zustand, in dem wir unsere jeweiligen Fähigkeiten voll ausschöpfen können. Also nicht nur die Abwesenheit von Krankheit. Sie ist relativ, also nicht auf jeden Menschen gleichermaßen zutreffend. Und ganz wichtig: Gesundheit ist ein immer währender Prozess – es ist unsere Lebensweise. Jeden Tag aufs Neue.
Der Leistungsdruck hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen: länger arbeiten, immer erreichbar sein, bessere Noten, erfolgreich sein auf allen Ebenen. Das Bild nach außen hin sollte so perfekt wie möglich sein. Die Gesellschaft ist sehr durch die Urbanisierung geprägt, gleichzeitig aber ist unser Körper immer noch an eine natürliche Umgebung angepasst. Dadurch ist unser sympathisches Nervensystem ständig überreizt und der Stresspegel häufig zu hoch. Das moderne Leben mit all seinen Reizen hält unser sympathisches Nervensystem auf Trab.
Das parasympathische Nervensystem wirkt der Überreizung entgegen und sorgt dafür, dass der Körper ruhen und verdauen kann. Es lässt den Körper wieder zur Ruhe kommen, damit verschiedene Reparaturprozesse stattfinden können und man die Möglichkeit hat Erlebnisse zu verdauen.
Und in einer natürlichen Umgebung lässt Stress im Allgemeinen nach, viele Menschen berichten von einem Gefühl der Entspannung. Viele fühlen sich wieder voller Energie und erfrischt.
Ein Waldspaziergang – so simpel? – Ja, die Methode ist simpel und effektiv, da man auf die regenerierende Kraft der Natur vertrauen kann. Wir fühlen uns in einer natürlichen Umgebung einfach wohler.
Die Praxis des Waldbadens
Zum einen konzentriert man sich einzig auf das achtsame Spaziergehen im Wald oder darauf sich zu setzen und die Aussicht zu genießen. Zum anderen gibt es eine Vielfalt an Aktivitäten mit fantasievollen Variationen: Meditation, Yoga, Kakaozeremonie, Zeit für die Hängematte, Wasser, direkter Kontakt mit Bäumen, Sterne betrachten, singen, Blumen und Wälder, Laubfärbung im Herbst, Geruchswahrnehmung (vgl. Aromatherapie), Geschmackswahrnehmung (Probieren im Frühling), usw.
→ Ein achtsamer Spaziergang
Das Waldbaden besteht in der Regel aus einem langsamen Spaziergang, Telefon ausgeschaltet, im Hier und Jetzt ankommen, schlendern, die eigene Körperbewegung spüren, Balancieren – Neubalancieren, sich seines Gemüts- und Gefühlszustands bewusst werden, Bewusstwerdung der eigenen Lage im Raum (Geräusche, Temperatur, Licht), Aufmerksamkeit lediglich auf das Gehen, Körperwahrnehmung/ Körperreise beim Gehen.
→ Mit allen fünf Sinnen
Sehen + riechen + hören + fühlen + schmecken im Waldbaden
→ Meditation
Den Geist zur Ruhe kommen lassen, indem wir dem gegenwärtigen Augenblick unsere ganze Aufmerksamkeit schenken. Die eigenen Gedanken beobachten und, wenn sie abschweifen, ins Hier und Jetzt zurück bringen.
→ Dehnübungen
Da viele Menschen im täglichen Leben mehr sitzen, als ihr Körper verkraften kann, bieten Dehnübungen eine ausgezeichnete, sanfte Möglichkeit, den Körper wieder in Bewegung zu bringen. Durch das Dehnen wird die Aufmerksamkeit auf den Körper statt auf die Gedanken gerichtet und so der Körper in seinen natürlichen Zustand zurückversetzt.
→ Die Sterne betrachten
Nachts erwarten einem im Wald eine Vielzahl von neuen Erfahrungen, wobei das Betrachten der Sterne eine der eindringlichsten ist. Die Ehrfurcht vor der Natur lenkt uns von unseren eigenen Problemen ab und fördert Kooperation und Verbindlichkeit.
→ Zeit in der Hängematte
Zu ruhen, während man in die Natur eintaucht, ist enorm entspannend und erholsam. Ruhe und Schlaf sind ungeheuer wichtig für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.
→ Lernen
In der Natur lässt es sich ausgezeichnet spielen und lernen.
„Wer sich in der Natur beschäftigt, versteht auch alles andere besser.“ Albert Einstein
→ Kreativ sein
Kreativität ist ein rezeptiver Prozess, und der Aufenthalt in der Natur fördert unsere Aufnahmefähigkeit.
„Die Kunst findet ihr Vorbild in der Natur.“ Aristoteles
→ Komorebi beobachten
Komorebi bedeutet das Spiel von Licht und Schatten, wenn die Sonne durch die Blätter der Bäume fällt.
Wenn der Wald nicht immer in der Nähe ist
Nicht jeder hat das Privileg, einen Wald in unmittelbarer Nähe zu haben. Glücklicherweise gibt es auch in vielen Städten und städtischen Umfeldern Bereiche, die der Natur vorbehalten sind, sei es der Stadtpark, eine brachliegende Fläche oder ein zugewachsener Pfad am Kanal. Jeder Ort, an dem Pflanzen wachsen, kann uns Entspannung bieten – vorausgesetzt, wir sind bereit, uns darauf einzulassen und Zeit dort zu verbringen.
Allerdings sind entsprechende Grünflächen nicht immer das Problem: Viele Menschen sind einfach zu beschäftigt, um sich auch einmal Zeit für sich selbst zu nehmen und Körper und Geist die Chance zum Entspannen zu geben. Deshalb stellt sich die Frage, wie wir die wohltuende Wirkung der Natur auch an den Orten genießen können, an denen wir die meiste Zeit verbringen: bei uns zu Hause und an unserem Arbeitsplatz. Viele Elemente der Natur haben den gleichen entspannenden Effekt wie das Waldbaden: z.B. Arbeits- und Schmuckgegenstände aus Holz, Zierpflanzen in Haus und Garten, eine Vase voller frischer Blumen, ja selbst der Duft ätherischer Pflanzenöle:
→ Gemeinschaftsgärtern und Stadtfarmen
→ Holztherapie
→ Sauna und Thermalbad
→ Bonsai
→ Zimmerpflanzen und Blumen
→ Ätherische Öle
„Das Blatt eines jeden Baumes trägt eine Botschaft aus der unsichtbaren Welt. Und sieh, jedes fallende Blatt ist ein Segen.“ Rumi
Wissenschaftliche Hintergründe
Da sich unser Körper im Laufe von Millionen von Jahren im Zuge der Evolution an die Natur angepasst hat, synchronisieren wir uns auch heute noch automatisch mit ihr. In der Natur fühlen wir uns wohl, der Körper ist entspannt. Die meisten Menschen wissen dies intuitiv, doch seit Kurzem liegen dafür auch wissenschaftliche Beweise vor. Inzwischen gibt es entsprechende Messtechniken: Hirnaktivitäten messen, die Aktivität des vegetativen Nervensystems messen, Stressmarker im Speichel messen, die Immunfunktion messen.
„Das Erstaunliche ist, dass wir diese Bäume sehen und nicht viel mehr über sie staunen.“ Ralph Waldo Emerson
Blick in die Zukunft
Regelmäßig werde ich zusammen mit Yasemin Waldbaden im öffentlichen Raum anbieten, wo dies erlaubt ist. Ich möchte euch herzlich dazu einladen, so dass ihr euch die Zeit für euch selber bewusst nehmt und mit uns zusammen auf die therapeutische Wirkung des Waldes einlassen könnt. Lasst uns unserer Intuition folgen und eigene persönliche Erfahrungen in einer Gruppe Gleichgesinnter im Wald machen.
Ich freue mich auf euch!
Für diesen Text habe ich folgende Literatur zugrunde gelegt:
Yoshifumi Miyazaki: Shinrin Yoku. Heilsames Waldbaden. München, 2018.